Warum es wichtig ist, zwischen Einkaufen und Shopping zu trennen

Warum es wichtig ist, zwischen Einkaufen und Shopping zu trennen

Wer über die Zukunft des Einzelhandels nachdenkt, muss sich darüber bewusst sein, dass Einkaufen und Shopping synonym verwendet werden können, aber begrifflich längst getrennte Wege gehen. Aus Sicht der Konsumenten sind sie zwei grundverschiedene Dinge. Das zeigt sich allein umgangssprachlich: Keiner von ihnen geht in einem Supermarkt „shoppen“ und niemand von ihnen fährt samstags zum „Einkaufen“ in die City. 

Die Erwartungen der Shopper an das Einkaufs- und Shopping-Erlebnis sind grundverschieden und zum Teil sogar gegenläufig.

Entsprechend unterschiedlich und zum Teil sogar gegenläufig sind die Erwartungen, die die Shopper an das Einkaufs- bzw. Shopping-Erlebnis haben. Darauf müssen sich die stationären Händler mit ihren Verkaufs- und Ladenkonzepten in Zukunft mehr denn je einstellen.

BEIM EINKAUFEN MUSS ES VOR ALLE SCHNELL GEHEN

Wenn Shopper heute vom Einkaufen sprechen, meinen sie meist den Versorgungseinkauf im Supermarkt, bei dem primär alltägliche Gebrauchsartikel nachgekauft und Vorräte aufgefüllt werden. Solche Einkäufe verlaufen meist rational und emotionslos. Sie sind für viele Konsumenten eher anstrengend, umständlich und nervend. Da immer mehr Menschen unter Zeitmangel leiden, werden sie vor allem als zeitraubend empfunden. Dagegen hilft auch das schönste Einkaufserlebnis nicht. 

Das bedeutet aber nicht, dass die Shopper Experience beim Einkaufen keine Rolle spielt. Ihr Fokus im Commidities- und Convenience-Bereich liegt jedoch primär auf der Beschleunigung des Kaufvorgangs. In Zukunft sind Verkaufsformate gefragt, die es den Shoppern ermöglichen, sich schnell und direkt mit den gewünschten Bedarfsgütern zu versorgen. 

Beim Einkaufen geht es den Shopper vor allem darum, den Vorgang so unkompliziert und effizient wie möglich zu gestalten.

Dabei muss sich der stationäre Einzelhandel am E-Commerce messen lassen müssen. Dessen Reiz besteht gerade darin, dass man das Gewünschte schnell, einfach und bequem „von der Couch aus“ bestellen und sich nach Hause liefern lassen kann. Dieses hohe Maß an Beschleunigung und die hohe Wahrscheinlichkeit das Gewünschte zu finden, erwarten die Shopper auch bei ihren Einkäufen in der realen Welt.

Um mit den Vorzügen des E-Commerce mithalten zu können, muss der stationäre Handel verstärkt nach intelligenten Lösungen suchen, die die Hindernisse beiseite räumen, die einem schnellen Einkauf im Weg stehen. Dabei spielen digitale Innovationen natürlich eine wichtige Rolle, wie z. B. online-gestützte Click & Collect Services, smarte In-Store-Navigation, digitale Concierge-Services und kassenlose Check-out-Systeme. 

Natürlich sind Shopper auch für jede andere Form der Hilfe dankbar, die dazu beiträgt, ihren Einkauf oder die Suche nach dem richtigen Produkt unkomplizierter und effizienter zu gestalten. Ohne diesen Support werden sie künftig noch häufiger online einkaufen.

BEIM SHOPPING ZÄHLT VOR ALLEM DAS ERLEBNIS

Ganz anders sieht die Situation beim Shopping aus. Hier geht es nicht primär darum, den Kaufvorgang zu beschleunigen. Nicht der Erwerb von Produkten steht hier im Mittelpunkt, sondern das Entdecken und Erleben. Die Menschen, die Samstag für Samstag zum Shoppen in die Innenstädte fahren, suchen in der Regel nicht nach bestimmten Produkten. Vielmehr sind sie auf der Suche nach Lifestyle, Vergnügen und Geselligkeit, kurz: nach Erfahrungen. 

Das gilt besonders für urbane Shopper und in noch stärkerem Maße für die heranwachsende Generation Z. Dabei geben sie sich nicht mit 08/15-Erfahrungen zu frieden. Sie suchen nach dem Besonderen und Einzigartigen. Wenn sie shoppen gehen, wollen die Vielfalt und die Spontaneität genießen, die ihnen das städtische Leben bietet. Wenn sie einen Laden betreten, wollen sie sich überraschen und inspirieren lassen. 

Beim Shopping erwarten die Shopper, dass ihre Zeit mit inspirierenden und aufregenden Erfahrungen aufgeladen wird.

Obwohl das Shopping nach wie vor eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist, spielt der Faktor Zeit auch hier eine wichtige Rolle. Doch es geht nicht um Zeitersparnis wie beim Einkaufen. Vielmehr geht es beim Shopping darum, die Zeit mit neuen und aufregenden Erfahrungen aufzuladen. Wer gefühlt nur wenig Zeit hat, möchte beim Shoppen eines auf keinen Fall: sich langweilen.

Natürlich wird die „große Inszenierung“ auch in Zukunft eine zentrale Rolle beim Shpping spielen. Doch dabei wird es weniger um Produkt als vielmehr um die Inszenierung von Erlebnissen gehen, die den Shopper im besten Fall begeistern. Im Sinne des „third place“-Ansatzes müssen die Läden künftig zu Orten werden, wo man gerne seine Zeit verbringt. In der heutigen Experience Economy müssen sie sich mehr und mehr zu lokalen Anlaufstellen wandeln, wo die Shopper sich mit Gleichgesinnten treffen und sich über die neusten Trends austauschen können. In einer zunehmend virtuell wahrgenommenen Konsumwelt müssen sie zu entschleunigten Orten für reale Erlebnisse werden.

Natürlich kommen sich die reale und die virtuelle Welt auch beim Shopping immer näher. Ohne die Integration digitaler Technologien wird es auch hier nicht gehen. Denn Urban Shopper wollen alles am liebsten jetzt und sofort. Doch wer beim Thema „Zukunft des Handels“ hauptsächlich das Digitale im Blick hat, läuft Gefahr, das Wesen des Shoppings als reales Erlebnis aus den Augen zu verlieren. Digitale Innovationen sind nur dann sinnvoll, wenn sie einen relevanten Mehrwert für die Shopper Experience bieten.

ENTWEDER ODER UND KEIN BEIDES IN EINEM

Um in Zukunft bestehen zu können, werden sich die Händler entscheiden müssen, welches der beiden Verkaufs- und Ladenkonzept sie umsetzen wollen: Wollen sie ihren Kunden ein optimales Einkaufs- oder ein begeisterndes Shopping-Erlebnis bieten. Aufgrund der entgegengesetzten Erwartungshorizonte seitens der Shopper lassen sich die beiden Konzepte jedoch unmöglich in ein und demselben Verkaufsformat realisieren. Eine Vermischung geht immer zulasten des einen oder anderen gehen.  

Wolf Thiem