23 Jan Warum der reine Onlinehandel keine große Zukunft hat
In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten hat sich der E-Commerce zum Schreckgespenst des Einzelhandels entwickelt. Angst macht vor allem der unaufhaltsame Aufstieg von Amazon zum alles beherrschenden E-Commerce-Giganten. Doch was wäre, wenn sich herausstellen würde, dass der Onlinehandel nur ein Papiertiger ist, der in seiner reinen Form keine große Zukunft hat?
Das klingt erst einmal höchst unwahrscheinlich. Der Internethandel boomt nach wie vor. Für das erste Halbjahr 2019 meldete der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (BEVH) einen Umsatzzuwachs von 11,3% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Insgesamt prognostiziert der BEVH für 2019 ein Plus von 10,5%. Dagegen wächst der stationäre Handel laut Handelsverband Deutschland (HDE) nur um knapp 3%.
KAUM GEWINNE
Doch Umsatz ist nicht alles. Wirft man einen Blick auf die Gewinne, die im E-Commerce erzielt werden, sieht die Sache ganz anders aus. Ein Artikel in der aktuellen Januar-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins brand eins zeigt auf, dass der Onlinehandel, obwohl er boomt, alles andere als ein gutes Geschäft ist.
Das belegt allein das Beispiel Amazon. Laut brand eins hat Amazon „mit seinem eigenen Versandhandel außerhalb der USA seit 2014 nur Verluste erzielt hat. 2018 schlugen diese Verluste mit 2,14 Milliarden US-Dollar zu Buche“. Sein Geld macht Amazon mit Webservices, also mit dem Verkauf von Streamings und Rechnerkapazitäten seiner Server.
Trotz steigender Umsätze fällt es selbst den Big Playern im Onlinehandel schwer, respektable Gewinne zu machen.
Auch Zalando fällt es nicht leicht, Geld zu verdienen. Ein Blick in den Halbjahresbericht 2019 zeigt, dass der Umsatz zwar um 18% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg. Doch der operative Gewinn wuchs lediglich um 2%. Ein sehr ernüchterndes Ergebnis, das zeigt, dass der Gewinn im Onlinehandel nicht einmal ansatzweise im gleichen Maße steigt wie der Umsatz.
SCHWIERIGES GESCHÄFT
Der Hauptgrund für die geringen Gewinne bzw. Verluste ist, dass sich die Kunden daran gewöhnt haben, dass sie im Internet alles jederzeit bestellen und sich schnell und bequem nach Hause liefern lassen können – und das zu unschlagbar günstigen Preisen. Ob sie das Bestellte schlussendlich kaufen, ist eine andere Frage. Was nicht gefällt, wird einfach zurückgeschickt.
Die Crux des Onlinehandels ist das hohe Maß an Convenience, Schnelligkeit und Bequemlichkeit, das er seinen Kunden bietet. Es erfordert enorme logistische und somit kostenintensive Anstrengungen. Dagegen hilft die beste Automatisierung nicht. Auch sie hat ihre Grenzen.
Das zeigt sich vor allem bei den Retouren, die ein wesentliches Verkaufsargument im E-Commerce sind, aber auch ein bedeutender Kostenfaktor. Die Bearbeitung eines zurückgesandten Artikel kostet, laut dem EHI Retail Institut, im Durchschnitt rund 10 Euro. Bei einer durchschnittlichen Retourenquote von 20 % treibt das die Kosten ganz schön nach oben.
Anbieter wie Zalando versuchen das Retourenproblem mit „Personal Shopper“ in den Griff zu bekommen, die dem Kunden Produkte empfehlen. Das funktioniert. Doch der damit verbundene Personalaufwand ist enorm und ebenfalls mit Kosten verbunden. Ein Königsweg zur Lösung des Problems ist es nicht.
HYBRID COMMERCE
Hohe Kosten und geringe Margen lassen die Gewinne im E-Commerce schrumpfen und drücken sie im schlimmsten Fall sogar unter die schwarze Null. Ob der reine Onlinehandel ein Geschäftsmodell mit großer Zukunft ist, ist also fraglich. Das haben anscheinend auch die Big Player erkannt – allen voran Amazon.
Seit ein paar Jahren zeichnet sich im Onlinehandel ein Trend zu stationären Läden und Pop-up-Stores ab.
Seit der Eröffnung des ersten Amazon Go Ladens im Dezember 2016 geht der E-Commerce-Gigant parallel auch den umgekehrten Weg zum Onlinehandel. Im Juni 2017 schreckte Amazon die Lebensmittelbranche zusätzlich mit dem Kauf der Bio-Supermarktkette Whole Foods Market auf. Nun scheint Amazon auch in Deutschland klassische Läden eröffnen zu wollen.
Auch Zalando betreibt seit 2012 Outlets in verschiedenen deutschen Großstädten, um dort B-Waren aus Retouren und Saisonartikel mit einem Preisnachlass von bis zu 70% zu verkaufen. Bis 2021 soll ihre Zahl auf insgesamt 13 Outlets ansteigen.
ONLINE GOES POP-UP
Der in der Branche wirksame Trend zu stationären Läden hat mittlerweile auch Marken erfasst, die bisher nur online präsent waren. Seit Jahren begeistert die Online-Beauty-Marke Glossier ihre Fans mit Pop-up-Stores. Jüngstes Beispiel sind sieben temporäre Läden, die sie in Kooperation mit Nordstrom eröffnete. Mittlerweile besitzt die Marke zwei permanente, „instagrammable“ Showrooms in Los Angeles und New York.
Hybride Vertriebsstrategien sind natürlich auch für große Offline-Marken interessant, die nach einem zusätzlichen Kanal suchen, über den sie ihre Produkte ohne Zwischenhändler direkt an ihre Kunden verkaufen können. Ein Beispiel ist Hugo Boss. Mit dem 2009 gestarteten Online-Shop machte das Unternehmen in 2018 mehr als 100 Millionen Euro Umsatz und ein Plus von 41% gegenüber dem Vorjahr.
Doch der Onlinehandel ist alles andere als ein Selbstläufer, bei dem man sich zurücklehnen und Geld scheffeln kann. Das ist selbst für jemanden wie Jeff Bezos ein Ding der Unmöglichkeit. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Internethandel in Zukunft entwickeln wird. Sogenannte Pure Player im E-Commerce werden es auf jeden Fall weiterhin schwer haben.
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