Warum manche digitale Innovation von vorn herein ein Flop ist

Warum manche digitale Innovation von vorn herein ein Flop ist

Mit Click & Collect versucht der stationäre Handel seit Jahren dem E-Commerce Paroli zu bieten. Doch seien wir mal ehrlich: Wer nutzt die Vorteile des Internets und bestellt etwas online, um sich anschließend den Stress zu machen, das Bestellte in der Innenstadt abzuholen? Wohl kaum jemand. Warum also hält der Handel immer noch an einem Service wie Click & Collect fest, obwohl dieser von Anfang an zum Scheitern verurteilt war?

MANGELNDE AKZEPTANZ

Click & Collect ist nicht der einzige Omni-Channel-Service, mit dem der Handel die Abwanderung seiner Kunden in den Online-Handel verhindern will. Es gibt Click & Reserve, Instore Order, Home Delivery und Return Instore, um nur einige zu nennen. Doch Click & Collect gilt als Paradebeispiel für die als notwendig erachtete Verknüpfung von Online- und Offline-Welt.

Omni-Channel-Services wie Click & Collect werden von Kunden als „indifferente Leistungen“ wahrgenommen und sind ihnen ziemlich egal.

Davon ist der Handel nach wie vor überzeugt. Laut dem ECC Köln stieg der Anteil der Multi-Channel-Händler unter den deutschen Top-Handelsunternehmen, die mehr als einen Vertriebskanal haben, in den Jahren von 2015 bis 2017 von 57% auf 65%. Der Anteil der Händler mit Cross-Channel-Services verzeichnete im selbem Zeitraum sogar einen Anstieg von 49% auf 71%.

Doch schon damals stellte der EEC fest, dass Cross-Channel-Services von Kunden kaum genutzt werden. Gerade einmal 6% aller im deutschen Handel getätigten Käufe waren echte Cross-Channel-Käufe. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

VERGEBENE LIEBESMÜHE

Die Gründe, warum der Handel und seine Berater an Omni-Channel-Services wie Click & Collect festhalten, klingen durchaus vielversprechend. Durch sie sollen die  Kundenbindung verbessert und vor allem Zusatzverkäufe in den Läden generiert werden. Doch scheint der Handel die Rechnung ohne seine Kunden gemacht zu haben.

Darauf deutete bereits eine Studie von Deloitte von 2016 hin, die eine hohe Differenz zwischen angeblichem Interesse und tatsächlicher Nutzung seitens der Shopper feststellte. Ihr zufolge bekundeten zwar 13% der Befragten in Deutschland ein Interesse an Click & Collect, aber lediglich 9% verwendeten den Service tatsächlich.

Drei Jahre später zeichnet sich immer noch ein ähnliches Bild ab. Eine aktuelle Studie von Pixi in Zusammenarbeit mit der TH Ingolstadt ergab jetzt, dass Cross-Channel-Services wie Click & Collect die Shopper nicht wirklich interessieren. Sie werden über alle Altersgruppen und Geschlechter hinweg als „indifferente Leistungen“ wahrgenommen, was auf eine „Egal-Haltung“ seitens der Kunden hinweist.

Da ist die Frage berechtigt, ob solche Services, die mit großem Ressourceneinsatz etabliert und mit hohen Kosten betrieben werden, sich wirklich lohnen, wenn sie den Kunden schlicht und einfach egal sind.

DIGITALE VERBLENDUNG

Doch so schnell wollen der Handel und seine Berater nicht aufgeben. Schließlich sei es, so wird argumentiert, nicht ungewöhnlich, das neue Services von Kunden zunächst als indifferent abgetan werden. Werden sie dann irgendwann genutzt, können sie schnell zu Begeisterungsleistungen und damit zum entscheidenden USP werden.

Zur Rechtfertigung wird gerne auf das berühmte Zitat von Henry Ford verwiesen – als Beleg dafür, dass Durchhalten sich lohnt: „If I had asked people what they wanted, they would have said faster horses.“ Gegen solche Durchhalteparolen spricht jedoch die Tatsache, dass es Click & Collect nicht erst seit gestern gibt. Der Handel experimentiert seit vielen, vielen Jahren damit. Wie viel Zeit will er sich noch nehmen?

Im Innovationsfeld der digitalen Transformation des Handels entwickeln sich Cross-Channel-Services allmählich zu Running Gags. Sie entpuppen sich mehr und mehr als Innovationen, die seit vielen Jahren gehypt werden, aber sich zunehmend als Flops und Ladenhüter erweisen. Darin gleichen sie dem „intelligenten Kühlschrank“, der auf keiner Haushaltmesse fehlen darf.

FEHLENDE KUNDENZENTRIERTHEIT

Selbstverständlich gehört die Digitalisierung zu den wichtigsten Trends, wenn es um die Zukunft des Handels und der Shopper Experience geht. Doch wer primär auf digitale Innovationen setzt, die im wesentlichen auf Vereinfachung, Beschleunigung und Automatisierung des Kaufprozesses abzielen, verliert das große Ganze schnell aus den Augen.

Erfolgreich werden in Zukunft jene Händler sein, denen es gelingt, Kunden eine begeisternde und nachhaltig bedeutsame Shopper Experience zu bieten. Dazu ist es notwendig, dass der Handel nicht nur auf seine Berater hört. Vielmehr muss er sich ernsthaft fragen, was seine Kunden wollen.

Die Ergebnisse der Pixi Studie sind ein Beleg für die mangelnde Kundenzentriertheit des Handels. Sie zeigen, dass Kunden digitale Innovationen nur dann schätzen, wenn sie ihnen einen relevanten Mehrwert bieten – und das am besten auch noch unbemerkt.

POSTDIGITALE ERLEBNISSE

Wichtig ist den Shoppern von heute einzig und allein das Einkaufserlebnis. Zufriedenheit stellt sich nur ein, wenn es ihre Erwartungen erfüllt und im besten Fall übertrifft. Das ist leichter gesagt als getan. Noch nie waren Shopper so anspruchsvoll wie heute, und die Spirale ihrer Erwartungen dreht sich immer weiter nach oben. Mit 08/15-Erlebnisse, die im besten Fall nur „okay“ sind, geben sie sich längst nicht mehr zufrieden.

Statt digitaler Services erwarten die Kunden heute eine sie begeisternde Shopper Experience, die nach Möglichkeit ihr Streben nach Individualität befriedigt. Schließlich möchten sie sich auch beim Shoppen als etwas Besonderes fühlen und als solches behandelt werden. Niemand will mehr Otto Normalverbraucher sein.

Statt vergeblich auf Click & Collect zu setzen, muss sich der Handel wieder auf seine wahren Stärken besinnen.

Die Shopper suchen heute verstärkt nach dem Überraschenden und Außergewöhnlichen, mit dem sie sich von anderen abgrenzen können. Sie sehnen sich nach Einkaufserlebnissen, die ihnen den Zugang zu etwas Außergewöhnlichem gewähren. Im Idealfall steht es nur im begrenzten Maße zur Verfügung und ist für die breite Masse nicht verfügbar.

VIP-SERVICES STATT CLICK & COLLECT

In Zukunft sind vor allem Erlebnisse und Services gefragt, die eine Mischung aus Limited Access, Customization und Exclusivity bieten und den Shoppern das Gefühl vermitteln, „Very Important People“ zu sein. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigen zahlreiche Best Practices in unserem Trendreport zur „Zukunft der Shopper Experience. 15 Shopper-Trends für 2020 und darüber hinaus“.

Bei der Umsetzung einer begeisternden Shopper Experience können digitale Technologien und Innovationen durchaus unterstützend wirken. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass sie nur die technische Plattform bilden und als solche keinen relevanten Erlebniswert besitzen.

Natürlich wird es immer jemanden geben, der Omni-Channel-Services wie Click & Collect nutzt. Aber es stellt sich die berechtigte Frage, ob ihre geringe Zahl den Einsatz der damit verbundenen Ressourcen wirklich rechtfertigt. Ob Click & Collect die Zukunft des Handels ist, ist also mehr als fraglich.

Stattdessen muss sich der Handel wieder auf seine wahren Stärken besinnen. Schließlich kann er seinen Kunden etwas bieten, was das Digitale nur schwer kann: reale Erlebnisse. Darin ist er dem E-Commere nach wie vor überleben und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Hier liegt seine wahre Stärke und nicht in Click & Collect. Er muss nur lernen sie auszuspielen.

 

Wenn Sie wissen möchten, wie Sie Ihren Kunden eine herausragende und begeisternde Shopper Experience vermitteln können, bei der sie sich wie VIP fühlen, beraten wir Sie gerne jederzeit und unverbindlich. Kontaktieren Sie uns einfach.

 


 

Vorschaubild: Shutterstock

Wolf Thiem