Was wir von Harry Gordon Selfridge für die Zukunft des Shoppings lernen können

Was wir von Harry Gordon Selfridge für die Zukunft des Shoppings lernen können

Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, nur weil wir uns mit der Shopper Experience der Zukunft beschäftigen. Statt immer nach vorne zu blicken und Ausschau nach den neuesten Trends zu halten, lohnt es sich, ab und zu einen Blick zurückzuwerfen. Auch aus der Vergangenheit lässt sich viel über die Zukunft des Shoppings lernen.

Als Harry Gordon Selfridge (1858-1947) vor mehr als einhundert Jahren sein bis heute weltbekanntes Kaufhaus in der Londoner Oxford Street eröffnete, war er nicht nur seiner Zeit weit voraus. Viele seiner Ideen, die damals revolutionär und visionär waren, sind immer noch zukunftsweisend.

SHOPPER EXPERIENCE

Es scheint als hätte Selfridge bereits 1909 mit seinem massiven Prachtbau – aus weißem Stein und Marmor, mit klassischen Säulen und kunstvoll verzierten Messingtüren, verschwenderisch dekorierten Schaufenstern und schicken Restaurants – die Grundprinzipien der Experience Economy vorweg genommen.

Mit seinem 1909 eröffneten Kaufhaus nahm Harry Gordon Selfridge die heutige Experience Economy vorweg.

In den vergangenen Jahren wurde viel über die zentrale Bedeutung der Customer und Shopper Experience für den Unternehmenserfolg geschrieben. Die Experten werden nicht müde zu betonen, dass der Handel lernen muss, dass er keine Produkte, sondern Erfahrungen verkauft und er seine Läden zu Bühnen für einzigartige und begeisternde Kundenerlebnisse machen muss.

Solche Postulate für die Zukunft des Shoppings gehörten schon damals zur DNA des von Selfridge eröffneten Kaufhauses. Es bot den Menschen Erlebnisse, die sie nirgendwo anders fanden. Harry Selfridges Idee war es, dass die Leute nicht in sein Kaufhaus kommen sollten, weil sie  einkaufen müssen, sondern rein zum Vergnügen. Dann würden sie auch etwas kaufen, und wenn es nur etwas Kleines ist.

RETAIL THEATER

Im Grunde genommen eröffnete Harry Selfridge kein Kaufhaus, sondern ein Theater. Alles war auf Showeffekt ausgelegt. Das begann bereits mit der theatralisch inszenierten Eröffnung des Kaufhauses am 15. März 1909. Punkt 9 Uhr wurden die bis dahin sorgsam zugehängten Schaufenster enthüllt. Gleichzeitig trat ein Trompeter auf das von Fahnen umwehte Dach und verkündete das neue Zeitalter des Konsums.

Seinen geschäftlichen Durchbruch erzielte Selfridge, als er 1909 auf die Idee kam, das Flugzeug des Luftfahrtpioniers Louis Blériot im Erdgeschoss seines Kaufhauses auszustellen. Blériot hatte zuvor als erster Pilot den Ärmelkanal überflogen und war von Calais aus startend in Dover gelandet.

Selfridge nutzte jedes Thema und jeden Trend, um seinen Kunden ein aufregendes Erlebnis zu bieten, das es sonst nirgends gab.

In einer Zeit, in der es weder Internet noch Fernsehen gab, war das ein aufregendes Ereignis für die Menschen, das sie nicht verpassen wollten. Abertausende kamen, um das Fluggerät von Blériot zu sehen. Die Schlangen reichten fast bis Oxford Circus.

Von da an, nutzte Selfridge jedes Thema und jeden Trend, die nachrichtenwürdig oder interessant waren, damit es in seinem Kaufhaus immer etwas Spannendes zu sehen gab: Ausstellungen von seltenen Büchern oder kostbaren Diamanten, Theater- und Ballettaufführungen mit berühmten Stars. Für die nicht enden wollende Show wurde sogar das Kaufhausdach für Tennis-Stunden mit den Siegern von Wimbledon zweckentfremdet.

CUSTOMER CENTRICITY

Selfridge kann auch als Begründer der heute viel beschworenen „Customer Centricity“ gelten. Er hat zwar den berühmten Satz „Der Kunde hat immer Recht“ nicht persönlich erfunden hat, aber er hat ihn zumindest in Großbritannien geprägt. Sein Prinzip war es, die Kunden als Gäste zu behandeln – wenn sie kommen und wenn sie gehen – gleichgültig, ob sie etwas kauften oder nicht. Er stellte die Kunden vorbehaltlos in den Mittelpunkt des Shopping-Erlebnisses.

Allein dieser kurze Rückblick zeigt, dass der Einzelhandel heute immer noch viel von Harry Gordon Selfridge lernen kann und es sich lohnt, sich mit seinem Leben und Werk intensiver auseinanderzusetzen. Dazu empfehlen wir Ihnen das Buch von Lindy Woodhead „Shopping, Seduction & Mr Selfridge“ von 2012.

Wolf Thiem