04 Okt. Was wir von Jeff Bezos & Co. lernen können
Wenn Sie sich mit der Zukunft des Shoppings beschäftigen, stolpern Sie bestimmt auch ständig über Fotos von Jeff Bezos. Bei einem der letzten, die ich sah, habe ich mich tatsächlich gefragt, ob die Wölbungen seines glatt rasierten Schädels nicht erste Anzeichen für Teufelshörner sind. Das ist weniger abwegig, als es klingt. Schließlich verkörpert er das Böse schlechthin für jene, die ihr Business durch ihn bedroht sehen. In ihren Augen strebt er nach nichts Geringerem als der Weltherrschaft, indem er verbissen an der Vernichtung des stationären Handels arbeitet.
Obwohl Jeff Bezos kein Philanthrop zu sein scheint, halte ich solche Dämonisierung für masslos übertrieben. Dabei wird schnell vergessen, dass er mit Amazon nicht ohne Grund so unglaublich erfolgreich ist. Dass er dabei – wie einst Doktor Faustus – mit dem Teufel im Bunde ist, bezweifele ich. Doch was ist das Geheimnis seines Erfolges? Ein Hauptgrund ist sicherlich, dass kaum eine andere E-Commerce-Plattform die Klaviatur der User-Experience so perfekt spielt wie Amazon. Doch das ist nur die technische Seite.
Der Erfolg von Amazon basiert im Wesentlichen darauf, dass das Unternehmen die Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der Kunden besser versteht als andere.
Was macht Amazon also besser als andere? Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass der Erfolg im Wesentlichen darauf basiert, dass das Unternehmen die Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der Kunden besser versteht als andere. Es ist bis ins Detail von der Erkenntnis beseelt, dass Shopper keine Produkte, sondern Erlebnisse kaufen, die sie glücklich machen.
Im Fall von Amazon beschreibt Stephan Grünewald, Diplom-Psychologe und Mitbegründer des Rheingold Instituts, das Erlebnis sehr treffend: „Wir sind erschöpft und glauben, dass sich niemand mehr um uns kümmert. Wenn dann der Bote vor der Tür steht und uns etwas nach Hause bringt, hat das etwas Wohltuendes. Obwohl wir es selbst bestellt haben, haben wir das Gefühl, wir wurden beschenkt.“ Auf diese Weise wird der Paketbote zum ganzjährigen Nikolaus. Das Gefühl, das sich dabei einstellt, brachte das Fashion-Portal Zalando mit seiner „Ich schrei vor Glück“-Kampagne sehr treffend auf den Punkt. Schade nur, dass es sich mittlerweile von diesem Claim verabschiedet hat.
Auch der Erfolg von Airbnb basiert nur scheinbar darauf, dass das Unternehmen die Ineffizienzen eines bestehenden Geschäftsmodells zu seinem Vorteil nutzt. Bei genauerem Hinsehen vermittelt Airbnb – im Gegensatz zu Hotels und Hotelportalen – nur vordergründig leerstehende Wohnungen, die von ihren Besitzern während ihrer Abwesenheit vermietet werden. In Wahrheit sind es auch hier Erlebnisse, wenn nicht sogar Glücksmomente. Sie basieren auf dem innig gehegten Wunsch der Kunden, für eine kurze Zeit eine fremde Stadt wie ein Einheimischer zu erleben und nicht wie ein Tourist.
Das ist es, was Retailer und Marken von Jeff Bezos & Co. lernen können und müssen. Sie müssen sich endlich von der Vorstellung vertraut machen, dass sie ihren Kunden keine Produkte, sondern Erlebnisse verkaufen. Ihre Funktionalität, ihre Qualität und ihr Preis sind nur notwendiges Beiwerk.
In Zukunft wird es mehr und mehr darauf ankommen, Kunden eine begeisternde Shopper Experience zu vermitteln, die ihre Erwartungen erfüllt und im besten Fall sogar übertrifft – und zwar in jeder Phase ihrer Buyer Decision Journey. Das erfordert ein konsistentes Shopper Experience Design, das den Shopper und seine Bedürfnisse ernst nimmt und sie konsequent in den Mittelpunkt stellt. Darin liegt die wirkliche Zukunft des Shoppings.